Deutsche Comicszene 2020 – Die Fakten

Deutsche Comicszene 2020 – In der Comicszene kriselt es und das nicht seit Corona. Der deutsche Comicmarkt ist gegenüber anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien eher bescheiden. Noch immer können nur eine Handvoll Comiczeichner/innen von ihren Comics leben. Es gibt immer noch keine echte und staatlich anerkannte Comicschule und in ganz Deutschland gibt es nur ein Comicstudio*.
Jobs und Aufträge für Comiczeichner sind rar, oder sehr schlecht bezahlt.


Junge Menschen konsumieren lieber Streaming Dienste und Games.
Die meisten Comics und Mangas, die sich in Deutschland gut verkaufen, haben eine TV Serie, Kinofilm oder Computerspiel im Nacken.
Der Hype um die Graphic Novelle ist auch abgeebbt. Im Moment versuchen die Verlage den Trend Kindercomics zu etablieren, aber da weißt auch noch keiner, ob sich das wirtschaftlich lohnen wird.
Digitale Comics werden gerne konsumiert, wenn sie kostenlos sind, aber wenn sie Geld kosten, dann macht man einen weiten Bogen um das Werk.
Ebenso ist die Preispolitik eine Katastrophe. Comics und Mangas sind zu teuer. In der Regel kostet ein Comic zwischen 7 und 40 Euro. Ein teurer Spaß für ca. 20 – 60 Minuten Unterhaltung. Wer mehr als ein Comic lesen möchte, muss schon ca. 100 Euro zahlen.


Leider steckt man in einer Zwickmühle, denn die Produktion eines Comics ist sehr hoch und die Tatsache, dass es wenige Leser gibt, zwingt es Verlage, Vertriebe und Händler Comics und Mangas teuer anzubieten.

Sexismus und Rassismus Skandale beherrschten neben der Corona Krise die Diskussionen der Comicmacher/innen und Interessierten. Beim ältesten Comic-Preis des ICOM gab es heftige Diskussionen über Sexismus, während die Presse bemerkte, dass im ersten Superheldencomic made in Germany keine Helden mit Migrationshintergrund oder ausländischen Wurzeln gab. Und wenn ein bekannter und sehr talentierter Comiczeichner als AFD Mitglied und Zeichner von AFD Werbecomics geoutet wird, kochen die Emotionen.

Viele Comiczeichner versuchen ihr Glück als Selbstverleger, doch scheitern oft daran oder sie machen mehr Verluste als Gewinn. Bei großen Verlage gibt es wenig Möglichkeiten für Veröffentlichungen von deutschen Künstler/innen. Es lohnt sich nicht wirtschaftlich und da sich die lohnende Arbeit von deutschen Verlage einen Schwerpunkt im Verkauf von lizenzierten Comics und Mangas hat, eine Menge Kraft und Zeit in Anspruch nimmt, ziehen die deutschen Produktionen und Künstler/innen den Kürzeren. Auch der Mangel am fähigen Personal bei Comic- und Manga Verlage macht die Sache nicht leichter. Die talentierten Redakteure gehen lieber in die Belletristik oder in die Filmbranche.

 
Durch den Ausfall der Buchmessen und des bundesweiten Lockdowns haben die Verlage, nicht nur die Kleinverlage, sondern auch die großen Verlage, Verluste eingefahren. Sie konnten nicht nur ihre Ware verkaufen, sondern konnten das Medium Comic nicht in der großen Aufmerksamkeit der Messen bei Besuchern und Presse promoten.
Online Comic- und Manga Messen haben versucht den Ausfällen entgegen zu wirken, aber der Erfolg dieser Online Veranstaltungen sind nur Tropfen auf den heißen Stein.

Deutsche Comicszene 2020 – Die Veränderungen

In den letzten Monaten hat sich viel getan. Comichändler haben aufgehört, neue Verlage wurden gegründet, beliebte Comicserien wurden beendet. International ändert sich auch viel. Durch die Corona Krise haben einige Verlage und Künstler/innen ihre Partnerschaften beendet und haben sich für neue Vertriebswege entschieden. Beliebte Jahres Events wie der GRATIS COMIC TAG oder 24H COMIC DAY werden verschoben oder fallen ganz aus. Verlage trauen sich nicht mehr an Buchmessen teilzunehmen. Comiczeichner/innen und Illustrator/innen, die von Messe Einnahmen leben oder ihren größten Gewinn aus Messe Verkäufe erwirtschaften, sind pleite oder stecken in großen Existenzängsten.

Aber diese Existenzängste gab es schon immer in Deutschland und wo es Existenzängste gibt, herrscht ein starker Konkurrenzkampf. Trotz der oft nach außen kommunizierten WE ARE A FAMILY Botschaft, können sich viele nicht leiden und stellen sich Steine im Weg. Und wenn es um Geld oder Aufmerksamkeit geht, dann werden die besten Freunde zu Feinden. Selbst unter Messeveranstalter herrscht ein fieser Ton. In der Tagespresse herrscht immer noch die Vitamin B Mentalität und die großen Verlage dominieren mit ihren „guten“ Beziehungen.

Trotz der Schwierigkeiten und Zukunftslosigkeit versuchen viele Zeichner/innen ihr Glück. Es entstand z.B. eine tolle Manga Schule der Manga-Ka Christina Plaka. Comiczeichner/innen versuchen zusammen einen Comicverlag zu gründen und mit gemeinsamer Kraft ihre Comics zu veröffentlichen. Höhepunkt ist die Eröffnung eines eigenen Comicladens.

Die Fakten


Fassen wir die negativen Fakten zusammen:

  • Deutscher Comicmarkt ist klein. Standard Auflagen und Leserschaft liegt zwischen 500 und 10 000.
  • Comics und Mangas sind zu teuer.
  • Nur eine Handvoll Comiczeichner/innen können vom Verkauf ihrer Comics leben.
  • Talentierte Comiczeichner/innen sind gezwungen im Ausland ihr Glück zu versuchen, da die großen Verlage in Deutschland sind nicht als Talentschmiede oder Talentscouts verstehen. Oft erhält man von Verlage die Auskunft: „Bewirbt dich im Ausland, veröffentliche dort und dann schauen wir, ob wir dich hier dann veröffentlichen können.“
  • Es gibt keine staatlich anerkannte Comicschule. Man kann nirgends das Handwerk des Comiczeichners studieren.
  • Es gibt keine Comicstudios und die Jobs für Comiczeichner/innen sind sehr wenig. Diese Jobs erhalten in der Regel bekannte Comiczeichner/innen
  • Der Konkurrenzkampf der Comicmessen und Convention Veranstalter ist härter geworden.
  • Die Diskussionen über Sexismus und Rassismus in der deutschen Comicszene sind „lauter“ geworden. Internationale Meldungen erschüttern die Szene.
  • Das Medium Comic wird wieder verstärkt für politische Zwecke genutzt.
  • Corona hat Comiczeichner/innen, Händler und Verlage in eine finanzielle Krise gestürzt.

Fassen wir die positiven Fakten zusammen:

  • Es gibt mehr Comiczeichnerinnen als je zuvor.
  • Sexismus und Rassismus Diskussionen sorgen für weniger Diskriminierungen und positive Änderungen in der Comicszene.
  • Kindercomic ist der neue Trend, der vielleicht mehr Geld in die Kassen der Verlage bringt.
  • Neue Start-Ups oder Projekte wie die Mangaschule von Christina Plaka entstehen.
  • Wegen Corona gibt es mehr Online Aktivitäten von Zeichner/innen.
  • Es gibt mehr Selbstveröffentlichungen und Selbstverleger, die nicht mehr die großen Verlage brauchen, um sich zu etablieren.
  • Presse ist offener zum Medium Comic.
  • meistverkaufte und meistgelesener Comic ist die deutsche Produktion ABRAFAXE
  • Neue Online Plattformen zur Veröffentlichung und Vertrieb von Comics. Möglichkeiten online Geld zu verdienen. Neue Comic Info Plattformen, um den Handel und die Verlage zu unterstützen.
  • Digitale Kunst ist heute genauso anerkannt wie analoge Comic-Kunst.
  • Es gibt mehr Comic Verfilmungen als je zuvor.
  • Es gibt immer noch Comic Stipendien in Deutschland.

Deutsche Comicszene 2020 – Es gibt Hoffnung

Ein wichtiger Fakt ist auch: es gibt noch die deutsche Comicszene und sie ist vielfältiger als je zuvor. Comiczeichner Größen Peter Puck, Wittek oder Isabel Kreitz gesellen sich zu jungen Talenten.
Das Zeichnen von Comics wird immer noch von vielen Zeichner/innen leidenschaftlich ausgeübt. Es geht ihnen nicht um Geld oder Anerkennung. Und das ist für mich das Wichtigste. Solange es diese Leidenschaft und Liebe zum Medium Comic gibt, gibt es Hoffnung für die deutsche Comicszene 2020.

Deutsche Comicszene 2020

Wie man das Medium Comic / Manga in Deutschland beliebter machen kann, wie man mehr Verdienstmöglichkeiten für deutsche Comiczeichner/innen schaffen kann und wie man die Leserschaft vergrößern kann – sind die großen Fragen an denen wir alle hart arbeiten müssen, wenn wir etwas verändern müssen.

Autor: Comiczeichner Millus / 2020

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